Bürger für Bürger e.V.
„Bürger für Bürger“: Dauner Modell für sorgende Gemeinschaften
Was braucht man, um unbürokratische Hilfe für Menschen im Alltag verlässlich zu organisieren? Eine durchdachte Idee, einen vertrauenswürdigen Verantwortlichen und breite Unterstützung. Und natürlich viel Geduld, einen langen Atem und engagierte Mitglieder. All das hat der Verein ‚Bürger für Bürger e.V.‘ mit seinem Vorsitzenden Gerd Becker zu bieten. Fünf Jahre nach der Gründung kann sich die Bilanz sehen lassen: Die inzwischen mehrfach ausgezeichneten Hilfsangebote werden in der Verbandsgemeinde Daun gut nachgefragt und immer mehr Menschen sind auch bereit, mitzumachen.
In Berlin entwickelt, in Daun realisiert
Die Idee wurde auf höchster Ebene geboren: Auf dem zweiten Demografiegipfel der Bundesregierung präsentierte 2013 das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Rahmenkonzept für „Sorgende Gemeinschaften“. Hier heißt es zu deren Arbeit: „Sorgende Gemeinschaften organisieren sich auf kommunaler Ebene und setzen sich aus öffentlichen Einrichtungen, privatwirtschaftlich orientierten Dienstleistern, gemeinnützigen Organisationen, ehrenamtlich Tätigen und nicht zuletzt den Menschen im Wohnviertel zusammen.“ Damit wurde ein schon lange in der christlichen Soziallehre existierendes Anliegen wieder aufgegriffen. Ein beispielhaftes Vorbild für die Umsetzung dieses Gedankens liefert seit fünf Jahren der Verein „Bürger für Bürger e.V.“ in der Verbandsgemeinde Daun, der dieses Modell einer niedrigschwelligen gegenseitigen Hilfe konsequent umsetzt.
Altersgerechte Dörfer schaffen
Ausgangspunkt war der Beschluss der Stadt Daun und der 37 Ortsgemeinden, sich dem WEGE-Prozess anzuschließen, bei dem es auch um die Schaffung altersgerechter Dörfer ging – WEGE steht für ‚Wandel erfolgreich gestalten.‘ Viele organisatorische und rechtliche Tipps kamen aus dem baden-württembergischen Riedlingen, wo es schon eine bedürfnisorientierte Unterstützung von Senioren gab. Ein Arbeitskreis wurde in Daun gegründet, ein Runder Tisch mit den sozial tätigen Organisationen grenzte die Tätigkeitsbereiche ab und im Juni 2012 wurde der Verein „Bürger für Bürger e.V.“ gegründet. Die Kernaufgabe war klar definiert: Wie kann man ältere Menschen darin unterstützen, möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung zu leben? Gerd Becker wurde Vorsitzender des Vereins. Er war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2010 langjähriger Büroleiter der Verbandsgemeindeverwaltung Daun und ist durch seine Tätigkeit als Fußballspieler und –trainer exzellent vernetzt. Sein Engagement und seine Kontakte haben die Etablierung von „Bürger für Bürger“ erst möglich gemacht.
Vielfältige Hilfe im Alltag
Vor allem ältere Menschen benötigen gelegentlich Hilfe im Alltag – nicht überall gibt es noch eine funktionierende Nachbarschaftshilfe oder im Ort lebende Familienmitglieder. Das können hauswirtschaftliche Tätigkeiten und kleine Reparaturen sein, um das Haus zum Beispiel Rasen mähen, Hecken schneiden, Schnee schaufeln oder Fahrten und die Begleitung zu Ärzten, Apotheken, Behörden und zum Einkaufen. Angehörige werden so entlastet und mit relativ geringem Aufwand wird vielen eine große Sorge genommen. Dabei gelten eindeutige Grundsätze: Alle, die Hilfe in Anspruch nehmen und alle, die Hilfe anbieten, müssen Mitglied im Verein sein, der sein Büro im alten Landratsamt in Daun hat. Er vergütet den Helfenden die Leistungen sowie die Fahrtkosten und versichert sie in der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Die Tätigkeit beschränkt sich auf das Gebiet der Verbandsgemeinde Daun tätig. Ausgenommen sind die häusliche Pflege, Handwerksarbeiten oder Krankentransporte.
Die richtige Idee zur richtigen Zeit
Offensichtlich hat der Dauner Verein den Nerv der Zeit getroffen und ist der wachsenden Nachfrage nach Hilfen im Alltag mit einem guten Angebot begegnet. Gerd Becker kann fünf Jahre nach der Gründung auf die Bilanz stolz sein: Dem 2012 mit 22 Personen gegründeten Verein gehören inzwischen mehr als 600 Mitglieder an – dazu gehören Einzelpersonen, Paare, Firmen, Ortsgemeinden und die Verbandsgemeinde Daun. 2016 haben 83 Frauen und Männer rund 3800 Stunden im Wert von etwa 25 000 Euro geleistet. Und es geht weiter – der Vorsitzende Gerd Becker sieht zukünftig einen weiter wachsenden Bedarf: „‘Bürger für Bürger‘ als Rückgratorganisation für sorgende Gemeinschaften hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 in Verbindung mit den Kommunen jedes Dorf und jeden Ort in der Verbandsgemeinde zu einer sorgenden Gemeinschaft zu entwickeln.“
Gewinn für alle
Nicht nur die hilfsbedürftigen Menschen profitieren von den Vereinsaktivitäten, die Region wird dadurch auch attraktiver für Menschen, die in die Vulkaneifel kommen wollen. Alfred Bauer, langjähriger Geschäftsführer der WFG Vulkaneifel und erster stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Bürger für Bürger“, sieht einen klaren Standortvorteil: „Aus meiner Erfahrung mit Unternehmen ist dieses Angebot ein Pluspunkt für die Gewinnung von Fachkräften und von Gründern. Ich würde mich deshalb freuen, wenn noch mehr ortsansässige Betriebe Mitglied des Vereins würden.“
Anerkennung von allen Seiten
2012 haben die Mitglieder des Vereins Bürger für Bürger den mit 3.000.- € dotierten zweiten Platz beim „Zukunftspreis Heimat“ der Volksbank RheinAhrEifel gewonnen. 2015 wurde ihnen vom Trierischen Volksfreund den Ehrenamtspreis „Respekt“ verliehen. Und dann gab es noch eine bedeutende bundesweite Auszeichnung: Das Programm »Engagierte Stadt« unterstützt Menschen und Organisationen vor Ort auf ihrem gemeinsamen Weg zu starken Verantwortungsgemeinschaften. Träger sind das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Bertelsmann Stiftung, die BMW Stiftung Herbert Quandt, der Generali Zukunftsfonds, die Herbert Quandt Stiftung, die Körber-Stiftung und die Robert Bosch Stiftung. Der Verein „Bürger für Bürger“ hat sich als Rückgratorganisation für sorgende Gemeinschaften beworben und 2015 eine Förderung von 50.000.- € bekommen!
2017: Mehr Mobilität durch den Bürgerbus
Das Engagement wird immer breiter: Auf dem Gebiet der Verbandsgemeinde Daun gibt es nicht mehr an allen Orten ausreichende Angebote des öffentlichen Nahverkehrs. Hier setzt ein Kooperationsprojekt der Verbandsgemeinde Daun, der Ortsgemeinde Sarmersbach und des Verein „Bürger für Bürger“ an. Letzterer hat – als einer der ganz wenigen Vereine in Rheinland-Pfalz – die Verantwortung für einen Bürgerbus übernommen, der am 9. Januar 2017 mit der Hinterbüsch-Route seinen Betrieb aufnahm und mit festen Zeiten und Routen verlässlichen Transport auch da ermöglicht, wo sonst keine Busse mehr fahren. Der zweite Bürgerbus, getragen von der Gemeinde Sarmersbach, fährt schwerpunktmäßig die Orte in der Struth an und startete einen Tag später. Weitere Routen werden im Februar folgen. Insgesamt gibt es in der Verbandgemeinde sechs Strecken; gefahren werden die Busse von Ehrenamtlichen. Das Ziel ist anspruchsvoll: 2030 soll jedes Dorf in der VG Daun einen Bürgerbus haben.